Das Perfekt

 

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Was ist das Perfekt? Wofür wird es verwendet?

Das Perfekt ist eine Zeitform der Verben. Im Perfekt spricht man über etwas, das in der Vergangenheit geschehen ist, das also vollendet (lat. perfectum) ist. Alle Verben haben eine Form des Perfekts.

Wir beschäftigen uns hier nur mit dem Perfekt im Aktiv, weil das Perfekt im Passiv immer mit sein und dem Partizip von werden gebildet wird: Ich bin gerufen worden. Das ist etwas kompliziert zu sprechen und kommt daher in der Umgangssprache selten vor, aber grammatisch ist es immer dasselbe Muster und beinhaltet keine Schwierigkeiten.

Weitere Vergangenheitsformen sind das Präteritum und das Plusquamperfekt. In der Umgangssprache verwendet man für die Darstellung von vergangenen Ereignissen meistens das Perfekt, so z.B. in diesem mündlichen Bericht über einen Unfall:

Und dann ist ein Radfahrer um die Ecke gekommen, und er hat die alte Frau anscheinend gar nicht gesehen. Er hat sie einfach umgefahren und hat sich nicht um sie gekümmert. Er ist einfach weitergefahren.

In der Schriftsprache verwendet man das Perfekt seltener als in der Umgangssprache. Das Perfekt dient hier vor allem dazu, vergangene Ereignisse in Beziehung zur Gegenwart und Zukunft zu setzen, wie z.B. in diesem Satz aus einem Bewerbungsschreiben:

In meiner früheren Tätigkeit bin ich vielen Herausforderungen begegnet und habe meine Fähigkeiten ständig weiterentwickelt, so dass ich für die Tätigkeit in Ihrem Unternehmen bestens geeignet bin.

Hier werden Erfahrungen aus der Vergangenheit benannt, die begründen sollen, warum jemand für eine Stelle gut geeignet ist. In der Schriftsprache sagt das Perfekt: Es ist Vergangenheit, aber es ist noch wichtig für jetzt.

Wie wird das Perfekt gebildet?

Die Beispielsätze oben zeigen schon: Wir benutzen eine Form von  haben oder sein als sogenanntes Hilfsverb plus eine Form des Vollverbs, die man Partizip II (oder auch Partizip Perfekt) nennt. Hier sind die Beispiele von oben noch einmal zusammengefasst:

mit dem Hilfsverb haben mit dem Hilfsverb sein
hat gesehen ist gekommen
hat umgefahren ist weitergefahren
hat (sich) gekümmert bin begegnet
habe weiterentwickelt

Die Partizipien in diesen Sätzen sind gesehen, gekommen, umgefahren usw.

Das Hilfsverb wird konjugiert, also in Abhängigkeit von der Person umgeformt:

ich habe gesehen | ich bin gekommen
du hast gesehen | du bist gekommen
sie hat gesehen | sie ist gekommen
wir haben gesehen | wir sind gekommen
usw.

Das Partizip bleibt im Perfekt immer gleich. (Es gibt auch Verwendungen des Partizips, in denen es dekliniert wird wie ein Adjektiv – aber im Perfekt bleibt es immer gleich.)

Weil wir das Partizip II nicht nur für das Perfekt brauchen, erklären wir auf einer eigenen Seite, wie es gebildet wird.

Bei welchen Verben bildet man das Perfekt mit sein?

Die meisten Verben bilden das Perfekt mit haben. Du musst also nur lernen, bei welchen Verben das Perfekt mit einer Form von sein gebildet wird.

Gruppe (1): Verben der Fortbewegung oder Ortsveränderung

gehen – ich bin gegangen
laufen – ich bin gelaufen
fallen – ich bin gefallen
stürzen – ich bin gestürzt
fahren – ich bin gefahren
kommen – ich bin gekommen
gelangen – ich bin nach Sizilien gelangt
fliegen – ich bin geflogen
reisen – ich bin gereist
ziehen – ich bin durch ganz Europa gezogen
folgen – ich bin gefolgt
fliehen/flüchten – ich bin geflohen/geflüchtet

Genauso ist es bei Verben, die eine besondere Art der Fortbewegung bezeichnen, z.B. wandern, schwimmen, schlendern, joggen, springen, hüpfen, rollen, rennen, rutschen, rasen, gleiten, reiten, steigen und kriechen. Weitere solche Verben findest du auf deutschlernerblog.

In diese Gruppe der Ortsveränderungen kann man auch das Verb begegnen einordnen:

Ich bin auf meiner Reise vielen interessanten Menschen begegnet.

Um sich zu begegnen, müssen sich zwei Menschen aufeinander zu bewegen – also ein Verb der Fortbewegung oder Ortsveränderung.

Schließlich gibt es Verben, die die Ortsveränderung nicht von Menschen oder Tieren, sondern von Wasser (und anderen Flüssigkeiten) oder von Erde, Sand und kleinen Steinen bezeichnen:

fließen – das Wasser ist geflossen
sickern – das Wasser ist durch den Lehm gesickert
rinnen – das Wasser ist durch das Rohr geronnen
rutschen – der Sand ist den Abhang hinuntergerutscht
kullern – die Kiesel sind herabgekullert

Zusammensetzungen mit Stammverben aus dieser Gruppe bilden das Perfekt ebenfalls mit sein, wenn sie eine Fortbewegung oder Ortsveränderung bezeichnen:

Die Sonne ist aufgegangen. Der Hund ist weggelaufen. Der Bus ist abgefahren. Der Zug ist angekommen. Der Vogel ist weggeflogen. Der Gast ist abgereist.

Einige dieser Verben werden auch bildhaft im Zusammenhang mit Zeit oder Geld verwendet:

Die Zeit ist verflossen.
Die Zeit ist verronnen.
Das Geld ist im Sumpf der Korruption versickert.
Der ganze Reichtum ist ihm unter den Händen zerronnen.

Gruppe (2): Verben der Größen- oder  Zustandsveränderung

Während die Verben der vorherigen Gruppe die Veränderung von einem Ort zum anderen bezeichnen, geht es hier um die Veränderung von einem Zustand zum anderen.

wachsen – du bist gewachsen (klein groß)
gedeihen – die Pflanze ist bestens gediehen (klein groß und kräftig)
schwellen – meine Zunge ist geschwollen (normal dick)
schrumpfen – die Gurke ist geschrumpft (groß klein)
werden – ich bin krank geworden (gesund krank – „werden“ ergibt nur Sinn mit einer näheren Bestimmung, was man geworden ist)
erkranken – Herr Meier ist leider erkrankt (gesund krank )
sterben – der Kranke ist gestorben (lebendig tot)
erblassen – du bist vor Schreck erblasst (normale Gesichtsfarbe blass)
erröten – ich bin vor Scham errötet (normale Gesichtsfarbe rot)
erkalten – das Eisen ist erkaltet (heiß kalt)
erscheinen – der König ist erschienen (abwesend/unsichtbar anwesend/sichtbar)
verschwinden – der Dieb ist verschwunden (anwesend/sichtbar abwesend/unsichtbar)
explodieren – die Mine ist explodiert (die Mine hat ruhig auf dem Boden gelegen bei Berührung explodiert sie)
(ebenso und mit gleicher Bedeutung: detonieren)

In dieser Gruppe finden sich einige zusammengesetzte Verben, deren Stammverben das Perfekt mit haben bilden. Aber weil diese Zusammensetzungen jeweils eine Zustandsveränderung bezeichnen, bilden sie das Perfekt mit sein.

aufstehen – ich bin aufgestanden (liegen/sitzen stehen – aber: stehen – ich habe an der Ecke gestanden)
einschlafen – das Kind ist eingeschlafen (wach schlafend – aber: schlafen – das Kind hat geschlafen)
aufwachen – wir sind aufgewacht (schlafend wach – aber: wachen – die Soldaten haben die ganze Nacht gewacht)
ausbrechen – der Löwe ist aus dem Zoo ausgebrochen (gefangen frei – aber: brechen – du hast dein Versprechen gebrochen)
verblühen – die Blume ist verblüht (Blüte welke Blütenblätter – aber: blühen: die Blume hat zwei Wochen lang geblüht)
erblühen – die Blume ist erblüht (Knospe Blüte)

Mehrere Verben dieser Gruppe kennzeichnen die genaue Art und Weise des Sterbens, also eine Todesart:

ertrinken – das Kind ist im Schwimmbad ertrunken
ersticken – das Baby ist unter seinem Kopfkissen erstickt
verhungern – viele Menschen sind wegen Nahrungsmangel verhungert
verdursten – viele Flüchtlinge sind beim Durchqueren der Wüste verdurstet

Gruppe (3): Verben, die ein Ereignis oder einen (Miss-) Erfolg ausdrücken

geschehen – es ist geschehen, man kann es nicht ändern
passieren – es ist passiert, man kann es nicht ändern
eintreffen – die Vorhersagen sind eingetroffen
vorkommen – Fehler sind häufig vorgekommen
gelingen – der Kuchen ist gelungen
misslingen – der Nachtisch ist misslungen
geraten (1) – der Reisende ist in große Gefahr geraten (≈ in eine Situation oder an einen Ort kommen)
geraten (2) – die Suppe ist gut geraten (≈ gelingen)
missraten – die Soße ist völlig missraten
entstehen – beim Abbruch des Hauses ist sehr viel Staub entstanden
erfolgen – die Abmeldung ihres Autos ist bereits erfolgt

Ausnahmen: sein und bleiben

Diese Verben werden hier als Ausnahme registriert, weil Verben, die einen gleichbleibenden Zustand bezeichnen, normalerweise das Perfekt mit haben bilden:

Ich habe ich München gewohnt. Ich habe in Deutschland gelebt. Ich habe geschlafen. Ich habe im Bett gelegen. Ich habe im Tor gestanden. Ich habe auf dem Sofa gesessen.

Aber, abweichend vom allgemeinen Muster:

Ich bin in München geblieben. Ich bin lange im Krankenhaus gewesen.

 

Übungen zum Perfekt findest du hier.

 

 

  –  Die folgenden Abschnitte sind  für Fortgeschrittene  –

Perfekt mit haben und sein bei demselben Verb

In bestimmten Zusammenhängen wirst du einige der Verben, denen wir oben das Perfekt mit sein zugeordnet haben, im Perfekt auch mit haben finden. Wie ist das zu erklären?

Ich bin von Hamburg nach München gefahren. – Ich habe noch nie ein Elektroauto gefahren.
Du bist nach Australien geflogen. – Du hast noch nie einen Hubschrauber geflogen, weil du dafür keine Lizenz hast.
Das Fass ist von selbst in die Ecke gerollt.  – Der Brauereiarbeiter hat das Fass in den Keller gerollt.
Wir sind von einem Gasthaus zum anderen gezogen. – Wir haben einen kleinen Karren gezogen.
Wir sind von Köln nach Berlin umgezogen. – Ich habe mich zum Fußballspielen umgezogen.

Manche Verben verändern ihre Bedeutung, wenn man ihnen ein Akkusativ-Objekt zuordnet.

  • Von Hamburg nach München fahren bezeichnet eine Fortbewegung. Ein Elektroauto fahren bedeutet, ein Elektroauto zu steuern. Es geht um eine Tätigkeit, die auf das Elektroauto gerichtet ist – man macht etwas mit dem Elektroauto.
  • Wenn ein Fass von selbst rollt, verändert es seinen Ort von alleine. Im zweiten Beispiel bezeichnet rollen die Art und Weise, wie der Arbeiter den Ort des Fasses verändert.
  • Bei umziehen schließlich hat dasselbe Verb zwei unterschiedliche Bedeutungen: Einmal die Ortsveränderung der Wohnung, das andere Mal das Wechseln der Kleidung, also die Kleidung ausziehen und anschließend andere Kleidung anziehen.

Die Beispiele machen deutlich, wie das oben vorgestellte Muster  „Ortsveränderung = Perfekt mit sein“ genau zu verstehen ist: Dieses Muster gilt für die Ortsveränderung des Subjekts eines Satzes. Ein Verb für eine Tätigkeit, die auf die Ortsveränderung eines Objekts gerichtet ist (ein Auto fahren, einen Karren ziehen, einen Hubschrauber fliegen) bildet das Perfekt mit haben. Dabei spielt es keine Rolle, dass auch die handelnde Person ihren Ort verändert, während sie ein Auto steuert.

Verben mit Akkusativ-Objekt: Perfekt fast immer mit haben

Mit ganz wenigen Ausnahmen gilt: Wenn das Verb ein Akkusativ-Objekt hat, wird das Perfekt mit haben gebildet.

Das gilt auch, wenn das Akkusativ-Objekt ein Personal- oder Reflexivpronomen ist:

Ich habe dich gesehen. Ich habe sie besucht.
Ich habe mich geärgert. Du hast dich blamiert.

Ausnahmen: Akkusativ-Objekt trotz Perfekt mit sein

loswerden: Wir sind das alte Auto endlich losgeworden.
sterben: Er ist einen schweren Tod gestorben.
gehen: Sie ist einen weiten Weg gegangen.

Eine andere Form mit Partizip II: Das Zustandspassiv – nicht mit dem Perfekt Aktiv verwechseln!

Aber was ist nun mit Formen wie den folgenden:

Ich bin 1970 in Zagreb geboren.
Ich bin durch diese Beleidigung zutiefst gekränkt.
Ich bin von dir enttäuscht.
Der Sinn dieses Satzes ist verborgen.

Sätze wie ich bin enttäuscht und ich bin gefallen scheinen doch grammatisch gleich aufgebaut zu sein: eine Form von sein plus Partizip II. Haben wir hier also noch mehr Verben, die das Perfekt mit sein bilden?

Nein, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Denn was steckt hinter diesen Sätzen?

Meine Mutter hat mich 1970 in Zagreb geboren. Ich bin 1970 in Zagreb geboren (worden).
Jemand hat mich mit einer Beleidigung zutiefst gekränkt. Ich bin durch eine Beleidigung zutiefst gekränkt (worden).
Du hast mich enttäuscht. Ich bin von dir enttäuscht (worden).
Der Autor hat beim Schreiben dieses Satzes den Sinn verborgen. Der Sinn ist  verborgen (worden).

Der passivische Sinn des Zustandspassiv wird meistens gar nicht mehr wahrgenommen. Die Partizipien geboren, gekränkt, enttäuscht und verborgen werden wie Adjektive gebraucht. Nur wenn man daran denkt, dass es sich um Formen der Verben gebären, kränken, enttäuschen und verbergen handelt, fragt man sich, ob diese Verben das Perfekt im Aktiv womöglich mit sein bilden.

Nein, ganz im Gegenteil:

  • Nur Verben, die ein Objekt haben (können), bilden eine Passivform.

Der Direktor ist gegangen worden ist ein grammatisch absichtlich falsches Sprachspiel der Umgangssprache, mit dem man zum Ausdruck bringt, dass der Direktor seinen Posten nicht freiwillig geräumt hat. Das Wasser ist geflossen worden ergibt überhaupt keinen Sinn.

  • Nur wenn es eine vollständige Passivform gibt, kann es die verkürzte Form des Zustandspassiv geben.
  • Verben, die ein Objekt haben und eine Passivform bilden können, bilden das Perfekt im Aktiv mit haben.
  • Man nennt diese Verben auch transitiv – und die anderen, die kein Objekt haben können, intransitiv.

Übungen zum Perfekt findest du hier.