Paradoxe Adverb-Adjektiv-Kombinationen

 

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Adjektive als Adverbien

Viele Adjektive können die Funktion von Adverbien übernehmen, z.B.

Der Lehrer hat so leise gesprochen, dass ich ihn kaum verstehen konnte.

Adverbien haben ihren Namen daher, dass sie „zum Verb“ hinzugefügt werden, also näher beschreiben, wie etwas gemacht wird.

Adverbien können aber auch benutzt werden, um ein anderes Adverb oder Adjektiv näher zu kennzeichnen, vor allem es zu verstärken oder abzuschwächen:

Die Band hat ziemlich gut gespielt.

nicht super gut, nur ziemlich gut

Wir hatten einen wirklich schönen Abend zusammen.

  wirklich schön, es gab nichts daran zu kritisieren

Das Fest war einfach wunderbar.

Mehr kann man darüber gar nicht sagen – einfach wunderbar.

Die ursprüngliche Bedeutung des Adjektivs, das zum Adverb geworden ist, tritt hier zurück: Keine Ahnung, was eine ziemliche Band sein könnte. Selbstverständlich war der Abend wirklich und nicht nur geträumt. Das Fest war wahrscheinlich nicht einfach in dem Sinne von wenig Aufwand, denn dann hätte man es wohl nicht als so wunderbar erlebt.

Paradoxe Kombinationen

Die Verwendung von Adverbien, die ursprünglich Adjektive sind, zur Verstärkung oder Abschwächung der Bedeutung anderer Adjektive oder Adverbien führt zu vielen lustigen Kombinationen:

Ich fand es bei Euch zu Hause unheimlich gemütlich.

Unheimlich oder ungeheuer als Adverb bedeutet außergewöhnlich, noch mehr als sehr – aber wenn etwas gemütlich ist, kann es eigentlich nicht gleichzeitig unheimlich sein.

Das war jetzt richtig falsch.

Was du gesagt hast, war nicht nur ein bisschen anders als normales Deutsch, sondern es war ganz klar ein Fehler, also ein richtiger Fehler.

Dieser Mann ist ganz schön hässlich.

Ganz schön bedeutet hier das Gleiche wie ziemlich, also eine Abschwächung – der Mann ist nicht unglaublich hässlich oder über alle Maßen hässlich. Dass schön und hässlich eigentlich Gegensätze sind, nehmen Muttersprachler in dieser Kombination nicht wahr.

Diese Politikerin wirkt unglaublich authentisch.

Unglaublich ist hier ein Ausdruck der Steigerung – man könnte auch sagen über alle Erwartung authentisch. Dass jemand nicht gleichzeitig authentisch und unglaublich (oder dann eher unglaubwürdig) wirken kann, wird nicht wahrgenommen.

Ich lege mich mal kurz lang.

Der Sprechende will sagen, dass er sich für kurze Zeit aufs Bett legt, um sich auszuruhen oder zu schlafen. – Zu dem Wörtchen mal siehe Modalpartikeln.

Das ist jetzt ein bisschen zu viel!

Der Sprecher will einerseits protestieren (Schluss jetzt! Das ist zu viel!), andererseits seine Aussage abschwächen (ein bisschen), um keinen Streit zu provozieren. Im Ergebnis haben wir die paradoxe Kombination ein bisschen viel.

Wie hast du die Zeit der Corona-Pandemie erlebt? – Ach, es war einfach schwierig.

Es war schwierig, und mehr braucht man dazu nicht zu sagen. Dass einfach und schwierig Gegensätze sind, spielt keine Rolle, weil einfach den ganzen Satz qualifiziert.

Ich habe dich furchtbar lieb.

Furchtbar ist hier einfach nur als Steigerungsform gemeint. Psychologen könnten hier allerdings auch eine übersteigerte Bindung, eine furchtbare Beziehung vermuten.

Bald fährt unser Bus ab, wir müssen uns jetzt langsam beeilen.

Hier haben wir einen Widerspruch der Bedeutungen von Adverb und Verb. Langsam hat hier die Bedeutung von allmählich oder bald ist es so weit, dass wir uns beeilen müssen. Das man sich nicht langsam beeilen kann, fällt dem Sprecher nicht auf.

Deutsch Lernende, die bewusst und kritisch mit der für sie neuen Sprache umgehen, sind für paradoxe Adverb-Adjektiv-Kombinationen viel sensibler als Muttersprachler. So z.B. der Syrer Jameel Juratly, der sich in einem Video über diese Ausdrucksweisen lustig macht.

Danke an Jameel Juratly für die Idee zu dieser Seite!