Modalverben in subjektiver Bedeutung

 

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Wiedergabe von Aussagen einer anderen Person

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das wiederzugeben, was eine andere Person gesagt hat.

Eine Möglichkeit ist die indirekte Rede. Wenn du die indirekte Rede noch nicht kennst oder dich nicht gut daran erinnern kannst, solltest du die Seite über die indirekte Rede zuerst lesen!

Mit der indirekten Rede kann man sich ein kleines Stück von der wiedergegebenen Aussage distanzieren: Das sage ich nicht selbst, sondern das hat eine andere Person gesagt! Bei der indirekten Rede bleibt die sprechende Person neutral. Man lässt nicht erkennen, ob man selber glaubt, was die andere Person gesagt hat, oder ob man es nicht glaubt.

Wollen und sollen in subjektiver Bedeutung

Um sich von der Aussage der anderen Person stärker zu distanzieren, benutzt man die Modalverben sollen und wollen in subjektiver Bedeutung. Wir werden gleich sehen, was das heißt.

Stell‘ dir vor, in einem youtube-Video sagt jemand, der wie ein Arzt gekleidet ist:

Drei meiner Patienten sind direkt nach der Corona-Impfung gestorben.

Auf dem Schreibtisch des Mannes im Video steht ein Namensschild „Dr. med Anoroc“.

Du hast aber Zweifel, ob das mit den Todesfällen stimmt, und du bist nicht sicher, dass der Mann wirklich Arzt ist. Dann kannst du über das Video folgendermaßen sprechen:

Einem youtube-Video zufolge sollen drei seiner Patienten direkt nach der Corona-Impfung gestorben sein.

Der Mann, der das im Video sagt, will Arzt sein.

Mit dem „subjektiven“ Gebrauch der Modalverben sollen und wollen machst du klar, dass die Aussagen des Mannes für dich bloße Behauptungen sind. Eine Behauptung ist etwas, was erst noch bewiesen werden muss, bevor man es glaubt. Du machst klar: Das ist seine subjektive Meinung  – aber ich glaube das eher nicht.

Wann benutzt man sollen, wann wollen?

Wenn es um etwas geht, was eine andere Person über eine dritte Person behauptet, nimmt man eine Form von sollen.

Wenn es um etwas geht, was eine andere Person über sich selbst behauptet, nimmt man eine Form von wollen.

Kompliziert?

Stell‘ die vor, du bist Gerichtsreporter und schreibst über eine Gerichtsverhandlung. Die Staatsanwältin liest aus ihrer Anklageschrift vor:

Der Angeklagte schlug den Ladenbesitzer mit einem Hammer nieder.

Der Angeklagte verteidigt sich:

Um die Zeit, als das passiert ist, war ich beim Frisör. Das kann der Frisör bezeugen!

Ein Gerichtsreporter schreibt, was die Staatsanwältin sagt und was der Angeklagte sagt.

Du schreibst:

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen haben.

(Behauptung der Staatsanwältin über den Angeklagten)

Der Angeklagte will zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort gewesen sein, sondern beim Frisör. Der Frisör könne das bezeugen.

(Behauptung des Angeklagten über sich selbst.)

Du siehst beim zweiten Teil der Niederschrift des Gerichtsreporters: Wenn du einmal das Modalverb in subjektiver Bedeutung gebraucht hast, um deine Zweifel an der Behauptung auszudrücken, kannst du mit indirekter Rede weitermachen.

Zeitstufen

Die Behauptung, die wiedergegeben wird, kann sich auf die Gegenwart oder auf die Vergangenheit beziehen:

Der Mann im Video will Arzt sein.

(Behauptung über die Gegenwart)

Der Mann im Video will gesehen haben, dass Menschen nach der Corona-Impfung gestorben sind.

(Behauptung über die Vergangenheit – grammatische Zeitstufe Perfekt)

Gegenwart und Vergangenheit sind hier relativ zum Zeitpunkt zu verstehen, an dem die Behauptung aufgestellt wurde. Du kannst natürlich über ein Video sprechen, das du vor fünf Jahren gesehen hast, und dann stehen die Modalverben im Präteritum:

Der Mann in dem Video, das ich vor fünf Jahren gesehen habe, wollte Arzt sein.

= Zu dem Zeitpunkt, als ich das Video gesehen habe, behauptete der Mann in dem Video, Arzt zu sein. (Gleichzeitigkeit)

Der Mann in dem Video wollte gesehen haben, dass Menschen nach der Corona-Impfung gestorben sind.

= Damals behauptete der Mann in dem Video, dass er gesehen habe, dass Menschen nach der Corona-Impfung gestorben sind. (Vorzeitigkeit – die Menschen starben bevor das Video gemacht wurde)

Es ändert sich also nur die Zeitform des Modalverbs. Die Zeitform der wiedergegeben Behauptung ändert sich nicht. Aus Gegenwart wird Gleichzeitigkeit, aus Vergangengenheit wird Vorzeitigkeit.

Andere Möglichkeiten, sich von einer Behauptung zu distanzieren

Statt Modalverb sollen

Es wird behauptet, dass der Angeklagte den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen habe.
Jemand hat behauptet,
Es heißt,
Ich habe gehört,
Angeblich hat der Angeklagte den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen.
Anscheinend
Offenbar
Nach Aussage von …..
Der Anklageschrift zufolge hat der Angeklagte den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen.
Dem Zeitungsbericht
Den Radionachrichten
Es sieht so aus als ob der Angeklagte den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen hat.
Es scheint als ob
Der Angeklagte hat wohl den Ladenbesitzer mit einem Hammer niedergeschlagen.

Statt Modalverb wollen

Der Angeklagte behauptet , zum Tatzeitpunkt beim Frisör gewesen zu sein.
gibt an
erklärt
versichert
gibt vor
Angeblich war der Angeklagte zum Tatzeitpunkt beim Frisör.
Nach eigenen Angaben
Nach eigener Aussage
Seiner eigenen Behauptung zufolge

Vergangene Zukunft mit sollen

Als ich Herrn Müller kennenlernte, ahnte ich noch nicht, wie wichtig diese Bekanntschaft später für mich werden sollte.

Es wird etwas erzählt, was in der Vergangenheit liegt. Ein Ereignis (Herrn Müller kennenlernen) wird in Beziehung gesetzt zu einem nachfolgenden Ereignis (die Bekanntschaft mit ihm wird für mich wichtig), das zum Zeitpunkt des Erzählens ebenfalls in der Vergangenheit liegt. Die subjektive Bedeutung von sollen liegt hier darin, dass die erzählende Person eine Verbindung zwischen den beiden Ereignissen herstellt und Spannung erzeugt: Wieso die Bekanntschaft mit Herrn Müller wichtig ist, wird jetzt noch nicht gesagt. Das kommt in der Erzählung erst später.

Weitere Beispiele:

Als Ali nach Deutschland zog, wusste er nicht, dass man sich beim Bürgerbüro anmelden muss. Das sollte ihm noch viele Schwierigkeiten bringen.
Bei der Party traf Kevin eine zierliche junge Frau mit schwarzen Haaren und Ponyfrisur. Sie sollte später eine berühmte Schriftstellerin werden.
Bei unserem Einzug halfen uns die Nachbarn. Sie sollten später für uns Kinder so etwas wie Großeltern werden.

 

Übungen zu diesem Thema findest du hier.

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