Zusammengesetzte Verben mit ent-

 

Du bist nicht angemeldet! Melde dich an, um mit der Bearbeitung dieses Inhalts Punkte zu sammeln! 

Wenn du zum ersten Mal hier bist, musst du dich zuerst als Nutzer*in registrieren.

 

Ent- in der Bedeutung von weg, heraus

Materiell: entfernen

Die häufigste Bedeutung des Präfix ent- ist wegmachen, wegnehmen oder entfernen. Der Stamm dieser Verben ist in vielen Fällen hergeleitet aus einem Nomen, das bezeichnet, was weggemacht wird.

Wenn du dich am Finger verletzt hast und die Wunde mit einem Heftpflaster schützen willst, musst du die Schutzstreifen am Heftpflaster entfernen, damit es auf deiner Haut klebt.

Als die Menschen anfingen, in Norddeutschland Landwirtschaft zu betreiben, mussten sie das sumpfige Land zuerst einmal durch den Bau von Gräben entwässern.

Wo trockene Gebiete mit wenig Regen nah am Meer liegen, hat man Anlagen zur Entsalzung des Meerwassers gebaut. In Deutschland muss man das Wasser aus manchen Bergregionen entkalken, damit der im Wasser enthaltene Kalk nicht die Leitungen verstopft.

Die Nieren haben die Funktion, die Körper von Tieren und Menschen zu entwässern und zu entgiften.

Eine Weinflasche, die mit einem Korken verschlossen ist, muss man entkorken, damit man den Wein ins Glas gießen kann.

Um Parasiten zu töten, gibt man Katzen Medikamente zur Entwurmung und Entlausung, d.h. Würmer und Läuse sollen entfernt werden.

Im Winter muss man Flugzeuge enteisen, bevor sie starten, weil sie mit einer Eisschicht auf den Tragflächen nicht fliegen können.

Bevor man ein Balkongitter neu anstreicht, sollte man es unbedingt erst einmal entrosten.

In einer Fabrik für Metallteile wird das Blech eingefettet, damit man Teile daraus stanzen kann. Nach dem Stanzen müssen die Teile entfettet werden. Damit sie wirklich passen und damit man sich nicht an ihnen verletzt, müssen sie außerdem entgratet werden, d.h. der scharfe Rand an den Schnittkanten muss abgeschliffen werden.

Wenn wir von Äpfeln oder Birnen nur den Saft haben wollen, müssen wir sie entsaften. Wenn wir einen Kuchen mit Kirschen oder Pflaumen belegen wollen, ist es sinnvoll, die Früchte zu entkernen oder zu entsteinen, damit man nicht auf die Kerne beißt. Man spricht aber auch davon, dass ein Gebäude entkernt wird, wenn man bei der Sanierung nur die Außenwände stehen lässt und im Inneren alles neu baut.

Eine Hülle ist eine äußere Schicht oder Verpackung, die ihren Inhalt sowohl schützt als auch unsichtbar macht, wenn es sich nicht gerade um eine durchsichtige Hülle handelt. Etwas zu verhüllen bedeutet, es unsichtbar zu machen, und enthüllen bedeutet, die Hülle zu entfernen und sichtbar zu machen, was darunter war. Enthüllen wird sowohl im materiellen als auch im übertragenen Sinne benutzt. Wenn etwas Neues, das man feierlich präsentieren will, zu schwer ist, um es mal eben so hereinzutragen, dann verhüllt man es zunächst. Wenn dann alle Besucher oder Zuschauer versammelt sind, wird die neue Statue oder ein neues Automodell feierlich enthüllt.

Enthüllen kann aber auch im übertragenen, bildlichen Sinne benutzt werden im Sinne von ein Geheimnis aufdecken:

Kritische Journlisten haben die Korruption im Fußball enthüllt.

Wenn das, was weggenommen wird, von vornherein immateriell ist, dann hat auch das Verb nur immaterielle Bedeutung: Wenn man Menschen ihren Mut nimmt, indem man sie frustriert oder sie davon überzeugt, dass ihre Ziele unerreichbar sind, dann entmutigt man diese Menschen. Sie sind dann nicht mehr so mutig wie vorher.

Alle Verben in dieser Untergruppe sind transitiv, d.h. sie können ein Akkusativ-Objekt haben; meistens müssen sie sogar eines haben, weil der Satz sonst keinen Sinn ergibt: Wir müssen unsere Katze regelmäßig entlausen. Wenn wir keine Katze haben, macht entlausen keinen Sinn. Weil die Verben transitiv sind, können sie auch das Passiv bilden: Die Katze wird entlaust, die Weinflasche wird entkorkt, das Meerwasser wird entsalzen (Sonderform! es heißt nicht: entsalzt).

Gemeinsam ist diesen Verben, dass der Verbstamm von einem Nomen oder Adjektiv hergeleitet ist und dass es in vielen Fällen die Einfach-Form des Verbs ohne Präfix gar nicht gibt. Entfernen leitet sich her von fern oder Ferne, aber fernen gibt es nicht. Ein Stück Eisen kann zwar rosten, aber entrosten bedeutet nicht, dass der Korrosionsprozess (das Rosten) rückwärts läuft, sondern dass man sein Ergebnis, den Rost, entfernt. Man kann die Katze entwurmen, was vor allem notwendig ist, wenn sie stark verwurmt ist, aber dass mich etwas wurmt liegt ganz im Bereich der Gefühle und Gedanken und bedeutet, dass ich mich über etwas ärgere oder mich damit nicht zufrieden geben kann. Man kann andere Menschen ermutigen und entmutigen, aber die Einfachform mutigen gibt es nicht als Verb. Beide zusammengesetzten Verben leiten sich her vom Adjektiv mutig.

Ähnlich ist es bei den folgenden Gruppe, nur dass es hier nicht um handfeste Dinge wie Rost, Salz oder Würmer geht, sondern um rechtliche, ökonomische oder soziale Beziehungen.

Immateriell: entwerten

In Bussen und Bahnen des Nahverkehrs in Deutschland genügt es nicht, eine Fahrkarte zu haben; das Ticket ist erst gültig, nachdem man es entwertet hat. Das klingt unlogisch, und im Englischen heißt der gleiche Vorgang to validate oder auf Französisch valider: gültig machen, bestätigen. Der deutsche Bürokrat denkt einen Schritt weiter, nämlich schon an die nächste Fahrt, für die das gestempelte Ticket dann nicht mehr gültig ist. Die Fahrkarte wird für die aktuelle Fahrt gültig, indem sie für zukünftge Fahrten entwertet wird, also dann keinen Wert mehr besitzt.

Einfacher zu verstehen ist der Gebrauch des Verbs entwerten beim Geld. Bei einer Inflation wird das Geld entwertet, das heißt man kann für den gleichen Geldbetrag weniger kaufen, das Geld verliert an Wert.

Wenn jemand stirbt, dann geht das Erbe an den Ehepartner und die Kinder, soweit es Ehepartner und Kinder gibt und diese noch leben. Wenn Kinder bereits gestorben sind, gehen deren Erbteile an die jeweiligen Enkel. Man kann aber durch ein Testament einzelne oder alle Enkel enterben, das heißt, festlegen, dass sie nichts bekommen sollen.

Für den Bau oder die Erweiterung von Straßen und Eisenbahnlinien benötigt man Grundstücke, die oft Privateigentümern gehören. Wenn diese nicht freiwillig verkaufen, kann der Staat sie nach bestimmten Regeln und mit Zahlung einer Entschädigung enteignen, also ihnen ihr Eigentum wegnehmen. Und mit entschädigen haben wir gleich ein weiteres Verb aus dieser Gruppe: den Schaden ausgleichen, eine Kompensation für den Schaden zahlen.

Wenn jemand einen Fehler gemacht hat und die anderen um Entschuldigung bittet, dann geht es darum, ihn von der Schuld für sein falsches Verhalten zu befreien und nicht mehr zu denken, dass er schuldig sei. Umgangssprachlich heißt es oft: Ich entschuldige mich. Das ist eigentlich Unsinn, denn niemand kann selbst entscheiden, nicht schuldig zu sein; das können immer nur die anderen entscheiden. Sinnvoll kann man also nur sagen: Ich bitte um Entschuldigung für meinen Fehler, oder: Entschuldigt bitte, dass ich diesen Fehler gemacht habe.

Hiervon zu unterscheiden ist die Entschuldung, also das Bezahlen von Geld, das man sich von jemandem geliehen hat. Wer jemandem Geld schuldet, ist nicht schuldig für irgendetwas, sondern ist nur einfach verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen, um sich zu entschulden, also die Summe seiner Schulden zu verringern.

Wenn ein König Vertreter seines Volkes oder Gesandte einer anderen Regierung empfängt, dann sitzt er nicht einfach auf einem Stuhl, sondern auf einem Thron. Im übertragenen Sinne sagt man, er sitzt auf dem Thron, solange er die Position eines Königs hat. Wenn nun ein König durch einen Angriff von außen oder durch eine Revolution seine Position als König verliert, dann sagt man, er werde entthront.

Entnehmen

Die dritte Gruppe von Verben mit ent– hat die Bedeutung von herausnehmen oder wegnehmen und ist transitiv, also mit Akkusativ-Objekt oder in Passivform.

Wir entnehmen eine Schmerztablette aus der Tablettenschachtel. Wenn die Tabletten zwischen einer Alu- und einer Plastikfolie eingeschweißt sind (sogenannte Blister-Packung), können wir sehen, wie viele Tabletten bereits entnommen worden sind.

Beim Sprechen über Kommunikation wird entnehmen auch bildhaft benutzt im Sinne von „aus den Worten einer anderen Person eine Information gewinnen“:

Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie mit der Reparatur unserer Heizung nicht bis Freitag fertig werden.

Ich entnehme dem Schreiben der Ausländerbehörde, dass uns eine Abschiebung droht.

Man benutzt entnehmen in Bezug auf eine sprachliche Äußerung oder einen Text, der nicht klar ist und nicht einfach zu verstehen ist. Man bringt die Aussage auf den Punkt, besonders gegenüber Leuten, die um den heißen Brei herumzureden versuchen.

In einem Hafen gibt es Kräne, die dazu da sind, die Schiffe schnell zu entladen, also ihre Ladung herauszuheben. Auch bei einer Batterie spricht man von Entladung, wenn die Batterie Strom an ein Gerät abgibt und schließlich ganz leer, also vollständig entladen ist.

Taschendiebe versuchen, den Menschen auf der Straße Wertgegenstände zu entwenden, also z.B. das Portemonnaie aus der Handtasche wegzunehmen. Ganz aggressive Diebe entreißen älteren Damen gleich die ganze Handtasche, d.h. sie reißen den Leuten ihre Tasche aus der Hand. Nur junge Leute sind schnell und stark genug, einen solchen Dieb zu verfolgen und ihm das Diebesgut wieder zu entwinden, also mit Gewalt wegzunehmen.

Entwenden heißt einfach nur wegnehmen, entwinden dagegen ist das Wegnehmen in einer Rangelei, einer körperlichen Auseinandersetzung. Der Unterschied ist leichter verständlich, wenn man die Nomen die Wende und die Winde vergleicht: Die Wende ist einfach nur ein Richtungswechsel – das entwendete Geld nimmt jetzt seinen Weg zusammen mit dem Dieb und nicht mehr mit der rechtmäßigen Besitzerin. Die Winde dagegen ist ein mechanisches Werkzeug, mit dem man Seile aufwickeln und dabei große Kräfte entfalten kann.

Andere Kriminelle versuchen, Menschen zu entführen, um von ihren Familien Lösegeld zu erpressen.

Sie führen ihre Opfer weg, nehmen sie aus ihrer Familie heraus.

Schließlich gehört zu dieser Gruppe von Verben mit ent- das Verb entziehen, das für stoffliche Vorgänge, für zwischenmenschliche Beziehungen und für Verwaltungsvorgänge benutzt wird:

Dass in Deutschland immer mehr Mais angepflanzt wird, passt nicht zum Klimawandel, denn Mais entzieht dem Boden viel Wasser.
Kaffee HAG war die erste Marke für koffeinfreien Kaffee. 1907 wurde in Bremen das Verfahren erfunden, dem Kaffee den Wirkstoff Koffein zu entziehen.

Unser Nachbar hat seinem Enkel immer viel Geld geschenkt, aber nachdem der Enkel ihn bestohlen hat, hat er ihm jegliche Unterstützung entzogen.

Weil unser Nachbar immer wieder betrunken Auto gefahren ist, wurde ihm der Führerschein entzogen.
Jetzt ist er freiwillig in eine Klinik gegangen, um eine Entziehungskur zu machen. Dabei lernt man, ohne Alkohol zu leben.

Nachdem Dr. Schludrig wegen der Fälschung von Corona-Impfzertifikaten verurteilt worden war, wurde ihm auch die Approbation entzogen. Er darf jetzt nicht mehr als Arzt praktizieren.

Entkommen

Eine dritte Gruppe von Verben mit ent- hat die Bedeutung von herauskommen, weggehen oder sich entfernen (im Unterschied zu etwas entfernen). Es handelt sich um Verben der Bewegung, die wie die meisten Bewegungsverben intransitiv sind, also kein Akkusativ-Objekt haben können und kein Passiv bilden.

In den Wohnvierteln in Deutschland finden wir an Bäumen und Laternenpfählen Fotos von entlaufenen Katzen oder entflogenen Papageien, die von ihren Besitzer*innen gesucht werden.

Schon diese ersten Beispiele zeigen, dass Dativ-Objekte durchaus möglich und sogar häufig sind: Diese Katze ist mir entlaufen, der Papagei ist unseren Nachbarn entflogen. Das Dativ-Objekt gibt bei diesen Verben an, von wem oder von was sich etwas oder jemand entfernt.

Genauso ist der Handtaschendieb seinen Verfolgern entkommen. Er wurde zwar auf frischer Tat ertappt (Verb mit er-), aber dann ist es ihm gelungen, über die Friedhofsmauer zu entwischen. Weil die Zeugen den Täter sehr genau beschreiben (Verb mit be-) konnten, hat die Polizei ihn dann doch festgenommen, so dass er seiner gerechten Strafe nicht entgangen ist. Später allerdings konnte er aus dem Gefängnis entweichen und ins Ausland entfliehen.

Eher im Sinne von herauskommen, herkommen entspringt jeder Fluss aus einer Quelle. Albert Einstein entstammte einer jüdischen Familie. Ein süßer Duft entströmt der Rosenblüte.

In den Fernsehnachrichten sehen wir, wie hochrangige Poliker*innen schwarzen Limousinen entsteigen – sie steigen aus großen schwarzen Autos aus.

Eher bildhaft sagt man, der Sohn der Nachbarin sei den Kinderschuhen entwachsen – d.h. er ist jetzt schon ein junger Mann, dem seine Kinderschuhe nicht mehr passen.

Entlassen

In dieser Untergruppe hat ent- die Bedeutung von freilassen, herauslassen oder irgendwohin schicken.

Schon drei Tage nach der Operation wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen.
Der verurteilte Betrüger wurde wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.
Ich wurde mit dem Zeugnis der Mittleren Reife aus der Realschule entlassen.

Nur vor dem Hintergrund, dass der Arbeitsmarkt früher nicht frei war, lässt sich verstehen, dass entlassen auch die Bedeutung hat, ein Arbeitsverhältnis zu kündigen. Wir denken heute bei entlassen an drohende Arbeitslosigkeit und finanzielle Schwierigkeiten. Die Handwerksgesellen des Mittelalters waren dagegen froh, wenn sie nach langer Lehrzeit von ihren Handwerksmeistern entlassen wurden, denn nun waren sie frei, zu einem anderen Meister zu gehen. So kommt es, dass auch heute noch von Freisetzungen gesprochen wird, wenn eine Firma Teile ihre Personals entlässt.

Wer seinen Job verliert, also entlassen wird, hat immerhin auch heute noch den Vorteil, dass er damit von seinen Pflichten gegenüber der Firma entbunden, also nicht mehr an den Job gebunden ist. Man muss morgens nicht mehr so früh aufstehen, um zur Arbeit zu gehen, und man muss nicht mehr Bescheid sagen, wenn man krank ist.

Beamte können nicht entlassen werden. Sie haben eine besondere Treueverpflichtung gegenüber dem Staat, und dafür garantiert der Staat ihnen die Sicherung ihrer Existenz auf Lebenszeit. Wenn aber ein Beamter oder eine Beamtin eine schwere Straftat begeht, dann können sie ihres Amtes enthoben werden. Bis es soweit ist, können sie vorläufig von ihren Aufgaben entbunden werden, bis klar ist, ob sie ihre Beamtenstellung verlieren oder nicht.

Schließlich kann man auch jemanden herauslassen mit dem Ziel, dass er zurückkommt und Bericht erstattet. Noah (arab. Nuh) entsandte aus der Arche eine Taube, die mit einem Ölzweig im Schnabel zurückkam.

Wenn zwei Staaten diplomatische Beziehungen miteinander aufnehmen, dann entsenden sie Botschafter, die deshalb in einer etwas altmodischen Ausdrucksweise auch Gesandte genannt werden. Verschiedene Länder entsenden regelmäßig Expeditionen in die Antarktis, um diesen unbewohnten Kontinent zu erforschen.

Einen Zustand beenden, aus einem Zustand herauskommen

materiell: entspannen

Wenn man den ganzen Tag über bei der Arbeit sehr angespannt war, dann ist man froh, wenn man sich abends beim Sport, beim Lesen oder vor dem Fernseher entspannen kann. Einen Geigenbogen muss man vor dem Spielen spannen und hinterher wieder entspannen, bevor man ihn weglegt, damit er seine Elastizität nicht verliert. Bei regionalen bewaffneten Konflikten entsenden die Vereinten Nationen manchmal Blauhelm-Soldaten in der Hoffnung, die Situation dadurch entspannen zu können.

Wenn hohe Staatsgäste zu Besuch kommen, entrollt man vor ihrem Flugzeug einen roten Teppich. Der Teppich wird zur Aufbewahrung aufgerollt und zum Gebrauch wieder entrollt.
Hausgeräte mit Elektromotoren können den Radio- und Fernsehempfang stören. Deshalb dürfen solche Geräte nur verkauft werden, wenn sie entstört sind.

Hinweis: Stören kann man Vieles, z.B. die Nachtruhe der Nachbarn oder ein Fußballspiel, aber entstören wird nur im Zusammenhang mit Elektrotechnik verwendet.

Wenn etwas gesperrt ist, dann kann man es hoffentlich auch wieder entsperren. Früher dachte man dabei an eine Tür; heute entsperrt man sein Mobiltelefon mit einer PIN oder eine Software durch Eingabe eines Lizenzschlüssels.

Bei entsperren denkt man dann auch direkt an entriegeln. Vorher war das Gartentor verriegelt, jetzt wird es entriegelt. Wenn du dabei allerdings mehr an den Riegel denkst, der entfernt wird, dann könnte man dieses Verb auch der Gruppe Entfernen zuordnen. Diese Seite soll dir Verständnishilfen und Gedächtnisstützen anbieten; das sind alles keine festen Regeln.

Wenn man ein optisches Signal (ein Bild) oder ein akustisches Signal (einen Ton) mitz technischen Mitteln verstärkt, vergrößert oder über große Entfernungen überträgt, kann es zu Verzerrungen kommen: Das Bild wird unscharf oder in eine Richtung gestreckt, die Farben verändern sich; der Ton klingt gepresst und quäkend. Um diesen Mangel zu beheben, wurden technische Einrichtungen entwickelt, die das Signal wieder entzerren, also die Verzerrung aufheben.

Man kann auch zeitliche Abläufe, die zu dicht aufeinanderfolgen, entzerren. Wenn du an einem Vormittag vier Kundentermine hast, die du kaum schaffen kannst, dann bist du froh, wenn ein Kunde absagt, weil das deinen Tagesablauf entzerrt.

Während der Schwangerschaft ist die Mutter körperlich mit dem werdenden Kind verbunden. Deshalb nennt man den Vorgang der Geburt auch Entbindung. Die Frau wird von ihrem Kind entbunden. Das Baby braucht zwar noch ganz viel Fürsorge und Schutz, aber es lebt jetzt eigenständig.

Eine Neubildung, die erst 2006 in die Wörterbücher aufgenommen wurde, ist entschleunigen = verlangsamen, langsamer machen, weniger schnell machen. Es kommt vom selten verwendeten Adjektiv schleunig = schnell, eilig. Häufiger als das Adjektiv kommt das Verb beschleunigen vor. In Testberichten über neue Autos steht, wie stark das Auto beschleunigt, nämlich wie viele Sekunden man braucht, um von Null auf 100 Stundenkilometer zu kommen. Entschleunigen bedeutet dann einfach, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen – entweder vom Gaspedal des Autos oder im übertragenen Sinne vom Gaspedal der Arbeit oder des Lebens.

Eine ältere Neubildung (1973 in die Wörterbücher aufgenommen) ist entsorgen. Früher machte man sich nur Gedanken über die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs oder die Belieferung von Fabriken mit Material. Erst spät begann man, sich Sorgen über die Abfälle zu machen. Heute ist das Entsorgen von Verpackungen, Altöl, Atommüll, alten Autos usw. ein eigener Industriezweig. Fachleute nehmen uns die Sorgen über den Verbleib dieser Materialien ab, sie entsorgen die Abfälle. Das Verb entstand offensichtlich als Gegenbegriff zu versorgen.

Damit sind wir bei einer Gemeinsamkeit dieser Untergruppe: Alle diese Verben haben ein Antonym, also ein anderes Verb, das das Gegenteil bedeutet.

(an-)spannen entspannen
binden entbinden
verkrampfen entkrampfen
aufrollen entrollen
stören entstören
(ver-, ab-)sperren entsperren
verriegeln entriegeln
verzerren entzerren
beschleunigen entschleunigen
versorgen entsorgen

Die Neubildungen entsorgen und entschleunigen waren nur möglich, weil im allgemeinen Sprachbewusstsein offenbar die Vorstellung vorhanden ist, dass das Präfix ent- das Gegenteil eines anderen Verbs ausdrücken kann. Weitere Neubildungen sind denkbar. Entliefern könnte bedeuten, Waren wieder abzuholen, die zuvor geliefert wurden. Aber bis jetzt gibt es das Wort nicht. Trotzdem würde man dich wahrscheinlich verstehen, wenn du dieses Wort benutzt.

immateriell: entdecken

Eine eng verwandte Gruppe von Verben mit dem Präfix ent- bezeichnet Vorgänge, die eher der geistigen oder sozialen Welt zuzuordnen sind. Die Bedeutung dieser Verben ist eher im bildlichen Sinne zu verstehen, und im Unterschied zur Gruppe entspannen gibt es keine so eindeutigen Antonyme.

Wenn eine Forscherin oder ein Forscher eine neue Spinnenart entdeckt, dann waren diese Tiere vorher ja nicht wirklich verdeckt, sondern nur bisher nicht in den Blick der Wissenschaft geraten. Ebenso wenn man davon spricht, dass Christopher Columbus den amerikanischen Kontinent entdeckt hätte: Er war nicht der erste Mensch, der aus dem heutigen Europa zu diesem Kontinent gelangte, und über Amerika lag keine Decke.

Ähnlich ist die Bedeutungssituation, wenn man davon spricht, dass sich etwas entwickelt. Wenn aus einer Seidenraupe ein Schmetterling wird, könnte man vielleicht an das Abwickeln des Seidenfadens denken. Aber wenn man davon spricht, dass ein Kind, Jugendlicher oder Erwachsener sich gut entwickelt, dann denkt man nicht an die Windeln, aus denen das Baby ausgewickelt wird. Wenn ein Land sich wirtschaftlich und politisch entwickelt, denkt man nicht daran, dass es vorher eingewickelt gewesen wäre. Um das Gegenteil auszudrücken, greift man bei diesemVerb zu einem weiteren Präfix: Leider kommt es oft vor, dass Länder sich politisch zurückentwickeln, wie derzeit Tunesien.

Was für Forschende das Entdecken ist, das ist für Konstrukteure und Designer das Entwerfen. Ein Entwurf ist noch nicht das fertige Kleidungsstück oder Automobil mit allen seinen Details, sondern eine Zeichnung, die die Grundidee festhält. Im gleichen Sinne spricht man von einem Textentwurf, der nicht in dieser Form veröffentlicht wird.  Aber wenn die im Entwurf festgehaltene Idee nicht verworfen wird, d.h. als falsch oder untauglich beiseite gelegt wird, dann wird der Entwurf weiter ausgearbeitet, bis ein Text entsteht, den man für veröffentlichungsfähig hält. Man könnte sich das Wort also so erklären, dass Kreative einen Einfall (auch ein schönes zusammengesetztes Verb: mir fällt etwas ein – ein Gedanke fällt in meinen Kopf hinein) schnell aufs Papier werfen, bevor sie ihren Einfall wieder vergessen haben.

Entfesseln ist offensichtlich das Antonym zu fesseln. Aber es wird fast nur noch bildhaft gebraucht. Wenn man einen Menschen findet, der gefesselt ist, dann bindet man ihn los, man befreit ihn von seinen Fesseln, aber man sagt nicht, dass man ihn entfesselt. Ein unbedachtes Wort kann jedoch oft einen hitzigen Streit entfesseln, also losbrechen lassen. Wenn es ganz schlimm wird, könnte einer der Streithähne  so wütend werden, dass er sich völlig entfesselt, also hemmungslos, auf die anderen stürzt und sie verprügelt.

Warnen bedeutet, auf eine Gefahr aufmerksam zu machen. Wenn die Behörden mit Sirenen, über Radio, per SMS oder über eine Warn-App eine Warnung vor einer akuten Gefahr ausgeben, dann sollten sie auch entwarnen, wenn die Gefahr vorbei ist.

Ein Spion tarnt sich mit einem falschen Namen und einer falschen Biografie, um unerkannt Geheimnisse von Unternehmen oder Staaten herauszufinden. Wenn ein solcher Spion merkt, dass er enttarnt worden ist, dass man also herausgefunden hat, wer er wirklich ist, dann muss er schnell fliehen, um einer Verhaftung zu entgehen.

Im Sommer gewöhnen sich die Kinder daran, ohne Schuhe herumzulaufen, so dass ihre Füße daran gewöhnt sind, auf Grasbüschel und Steinchen zu treten. Im Frühjahr, nach dem langen Winter, sind die Kinder davon völlig entwöhnt. Die Haut unter ihren Füßen ist dünner geworden, und sie kreischen bei jeder Unebenheit.

Hemmen bedeutet bremsen, blockieren, festklemmen, hindern. Es kann sowohl für materielle wie immaterielle Vorgänge benutzt werden: Man kann mit einem Gewehr nicht schießen, wenn es eine Ladehemmung hat (materieller Vorgang: die Patronen im Gewehr klemmen). Das kleine Mädchen fühlt sich durch die Anwesenheit so vieler Zuschauer gehemmt und kann sein Gedicht nicht aufsagen. – Das Gegenteil von hemmen, enthemmen, wird jedoch nur für Immaterielles benutzt:

Jugendliche werden durch Computerspiele, in denen es um Gewalt geht, enthemmt. Sie fangen an, Gewalt für normal zu halten, und schlagen dann auch im realen Leben leichter zu.

Sowohl materiell als auch immateriell: entfalten

Wenn man etwas, das zusammengefaltet ist, öffnet, dann spricht man von entfalten. Der Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpft, entfaltet seine Flügel. Aber häufiger werden das Verb und seine Nominalisierung Entfaltung im übertragenen, immateriellen Sinne gebraucht:

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes)
Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt entfaltete Julius Meyer eine rege Tätigkeit als Strafverteidiger.

Entfalten hat hier eine ähnliche Bedeutung wie entwickeln.

Ent- als Bedeutungsverstärkung: entleeren

Wir haben oben gesehen, dass entwässern bedeutet, das Wasser abzuleiten oder wegzumachen. Demgegenüber erscheint eine andere Gruppe von Verben mit ent- etwas unlogisch: Einen Mülleimer zu entleeren bedeutet nämlich nicht, die Leere im Eimer wegzumachen, also den Eimer wieder zu füllen, sondern ganz im Gegenteil, den Mülleimer vollständig leer zu machen. Wer eine Kerze entzündet, löscht nicht ewa die Flamme, beseitigt nicht ihre Zündung, sondern zündet die Kerze an: Das Präfix ent- klingt nur etwas feierlicher und deutet an, dass die Kerze längere Zeit brennen wird. Man zündet am Silvesterabend einen Knallkörper, der nur einmal bumm macht, aber man entzündet die Kerzen am Weihnachtsbaum und lässt sie eine Weile brennen. Ebenso bezeichnet die medizinische Verwendung des Verbs und seiner Nominalisierung Entzündung (als Synonym für Infektion) einen längeren Prozess.

So lassen sich auch einige Verben mit ent- verstehen, die fast nur noch im bildlichen Sinne gebraucht werden. Nur noch selten wird man in aktuellen Texten lesen, dass jemand ein Feuer entfacht, und das Stammverb fachen ist vollständig vergessen. Aber noch immer spricht man davon, dass ein Land durch den Angriff auf ein anderes Land einen Weltkrieg entfachen könnte. Man kann auch durch verletzende Bemerkungen in einem Gespräch die Wut einer anderen Person entfachen. Die angegriffe Person entbrennt dann in Wut, ohne dass Feuer zu sehen ist. Wutentbrannt stürzt sich der Angegriffene auf seinen Widersacher und verprügelt ihn.

Zu dieser Gruppe kann man auch das häufig vorkommende Verb enthalten rechnen, jedenfalls in seiner transitiven Bedeutung, deren Nominalisierung der Inhalt ist. Wenn eine Flasche 1 Liter Orangensaft enthält, dann heißt das eigentlich nichts anderes als dass sie Orangensaft hält, also nicht herausfließen lässt.

Die englische Übersetzung für diese Bedeutung von enthalten ist to contain.

Eine andere Bedeutung hat die reflexive Form sich enthalten, was so viel bedeutet wie sich von etwas fernhalten. Das Objekt, von dem man sich fernhält, steht bei sich enthalten immer im Genitiv:

Bei der Abstimmung über das neue Gesetz zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs enthielten sich fast 100 Abgeordnete der Stimme.

Da das Verb in seiner reflexiven Form fast nur noch im Zusammenhang mit Abstimmungen benutzt wird, lässt man das Genitiv-Objekt meistens weg:

Fast 100 Abgeordnete enthielten sich.

In älteren Texten findet man aber auch noch:

In dieser Angelegenheit möchte ich mich eines Urteils enthalten.

Der Angeklagte versprach dem Richter, sich künftig des Alkohols zu enthalten.

Vor allem das zweite Beispiel ist ziemlich altes Deutsch. Man würde heute wohl meistens sagen: Der Angeklagte versprach, keinen Alkohol mehr zu trinken.

Die englische Übersetzung für sich einer Sache enthalten ist to abstain from something.

Nur im Sinne von Verzicht auf einen Genuss verwendet man das Nomen Enthaltsamkeit. Mit diesem Nomen bezeichnet man auch den Verzicht auf sexuelle Aktivität, wie es von katholischen Priestern verlangt wird.

Lautangleichung: empfehlen

Es gibt drei Verben, die mit emp- beginnen: empfangen, empfehlen, und empfinden.

Bei empfehlen ist noch erkennbar, dass das Präfix ursprünglich ent- gewesen ist: Wenn ich ein Restaurant ent-fehle, dann sage ich damit, dass es keinen Fehler hat, dass es dort an nichts fehlt, und dass man nichts falsch macht, wenn man dort essen geht. Die Lautkombination ntf ist auch für deutsche Zungen und Lippen ein bisschen schwierig auszusprechen. Viel einfacher ist mpf, weil dabei die Lippen die ganze Zeit zusammenbleiben. Das erklärt, warum aus entf bei manchen Verben empf geworden ist.

Empfinden bezeichnet eine Sinnes- oder Gefühlswahrnehmung, ganz ähnlich wie das Stammverb finden in der Bedeutung: Ich finde es heute ziemlich kalt = ich empfinde die heutige Temperatur als kalt. Wenn man hier dem ursprünglichen Präfix ent- eine Bedeutung zuschreiben will, dann wäre es wohl die Verstärkung, so wie im vorhergehenden Abschnitt nach dem Muster entleeren.

Was schließlich empfangen mit fangen zu tun haben könnte, erschließt sich leichter, wenn man an einen Ball fangen denkt als wenn man sich orientiert an einen Fisch fangen = an der Angel oder im Netz festhalten. Fangen bedeutet dann, etwas entgegenzunehmen, das auf mich zukommt. Genau das machen wir, wenn wir einen Gast freundlich empfangen. Auch hier hat das Präfix verstärkende Bedeutung. Genauso kann man auch Dinge empfangen oder in Empfang nehmen, z.B. bei einem Autoverleiher die Schlüssel für den Leihwagen. In einem Funkloch hat man mit dem Mobiltelefon keinen Empfang, und ein Radiogerät bezeichnet man auch als Rundfunkempfänger.

Nicht immer führt das Zusammentreffen der drei Konsonanten ntf zur Angleichung als mpf: Wir hatten oben schon etliche Gegenbeispiele wie entfalten, entfliegen und entführen.

 

Schreibe einen Kommentar